Tee – Reine Geschmackssache?

Seit Jahren wird geforscht, was grüner und schwarzer Tee wirklich können

Vom Winde verweht: Ein Blatt vom Busch segelt zufällig in einen Kessel mit siedendem Wasser, färbt es grünlich. Und siehe da: Das Zufallsgebräu weckt nicht nur die Lebensgeister, sondern lindert auch Beschwerden! Diese Entdeckung soll der mythische chinesische Urkaiser Shen Nong vor 5000 Jahren gemacht haben.

Lange bevor der Tee seinen Siegeszug als Genussgetränk antrat, galt er als Heilmittel. Und als solches ist er in den vergangenen Jahren in den Fokus der Wissenschaft geraten. Zwar sieht man dem Tee in der Tasse seinen Ursprung nicht mehr an, aber Grundsubstanz ist eine Pflanze, die neben Aroma und ein bisschen Farbe mehr zu bieten hat: sekundäre Pflanzenstoffe. Ihnen gilt das Interesse der Forscher.

 

Tausende solcher sekundären Pflanzenstoffe sind bekannt. Sie stecken in Lavendel, Salbei oder Baldrian und schützen Pflanzen etwa vor Pilzbefall oder UV-Strahlen. Bei der Teepflanze ist vor allem ein Inhaltsstoff, das Epi-Gallo-Catechin-Gallat (EGCG), ins Blickfeld der Forscher gerückt. EGCG kann beispielsweise die Struktur bestimmter Eiweiße verändern. Das funktioniert im Labor, aber offensichtlich auch im menschlichen Organismus, wie der Selbstversuch eines Heidelberger Mediziners zeigt.

 

Professor Werner Hunstein konnte durch monatelanges tägliches Grünteetrinken die Beschwerden seiner Amyloidose-Erkrankung deutlich lindern. Was eine medikamentöse Behandlung nicht geschafft hatte. Hunstein vermutet, dass das im Tee enthaltene EGCG falsch gefaltete Eiweiße, die sich in seinem Herzen und in der Niere abgelagert hatten, zum Teil wieder auflöste. Nur Spekulation? Oder der erste Schritt zur Entwicklung eines neuen Arzneimittels? Das versuchen Forscher gerade in weiteren Studien herauszufinden.

 

Auf den Zuckerstoffwechsel scheint sich schwarzer oder grüner Tee nicht direkt auszuwirken. Es gibt allerdings Hinweise, dass Teekonsum das Herz-Kreislauf-System schützt. In Japan beobachteten Wissenschaftler, dass Grünteetrinker im Durchschnitt seltener an den Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen starben und länger lebten als Nicht-Teetrinker. Die Studie hatte mehr als 40.000 Teilnehmer, dennoch ist der beobachtete Trend kein Beweis dafür, dass es der Tee ist, der zu einem längeren Leben verhilft. Andere Faktoren könnten dabei eine Rolle spielen: etwa Ernährung oder Bewegung.

 

Einen Hinweis, dass grüner Tee den Blutgefäßen gut tut, liefert eine griechische Studie mit 14 Teilnehmern. Nach dem Konsum von grünem Tee verbesserte sich die Elastizität der Blutgefäße, was mithilfe einer Ultraschalluntersuchung festgestellt wurde. Lässt die Elastizität der Arterien nach, deutet das auf ein erhöhtes Risiko für eine Arterienverkalkung hin, die häufig als Folge von Diabetes auftritt und beispielsweise zum Herzinfarkt führen kann. Trotz der positiven Untersuchungsergebnisse äußern sich die Initiatoren der Studie vorsichtig. Es sei offen, ob sich der Effekt auch bei älteren oder kranken Menschen und über einen längeren Zeitraum zeigen würde.

 

Hunderte von Tee-Studien wurden veröffentlicht. „Doch die Vielzahl der Untersuchungen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es kaum gesichertes Wissen gibt“, sagt Prof. Dr. Ulrich Engelhardt vom Institut für Lebensmittelchemie in Braunschweig. Eine Empfehlung zum Teetrinken ließe sich daraus nicht ableiten. Denn einen Beweis, dass Tee vor Krebs oder Karies schützt, das Leben verlängert oder Alzheimer und Parkinson vorbeugt, gibt es bisher nicht.

 

Dabei stecken in wenigen Gramm Tee relevante Mengen an möglicherweise gesundheitsfördernden sekundären Pflanzenstoffen: In zwei Tassen Grüntee durchschnittlich so viel wie in einem Glas Rotwein oder einem halben Apfel. Allerdings hängt der Gehalt im Tee von der Sorte, vom Anbaugebiet und der Sorgfalt bei der Ernte, von der Lagerung und Ziehzeit ab. Auch weiß keiner so genau, ob und wie die mit dem Aufguss getrunkenen Stoffe vom Körper aufgenommen werden.

 

Deshalb hält Engelhardt auch nichts von Behauptungen wie „Grüner Tee hat mehr gesunde Polyphenole als schwarzer Tee“ oder strengen Zubereitungsvorschriften, etwa den grünen Tee nie mit kochendem Wasser aufzugießen. „Tee ist kein Arznei-, sondern ein Genussmittel. Wie lange er ziehen und wie heiß das Wasser sein soll, ist vor allem Geschmackssache.“

Teile mich...