Heilen mit Schlick und Schlamm

Der Erdboden ist reich an gesundheitswirksamen Schätzen wie Schlick, Fango, Lehm, Moor und Kreide

Das Schwein suhlt sich im Schlamm, um sich abzukühlen und lästige Parasiten loszuwerden. Der Elefant schützt sich durch eine dicke Schlammschicht vor Sonnenbrand und Insekten. Der Spatz badet im Sand, um mit den feinen Körnern Milben aus dem Federkleid zu entfernen.

 

Doch nicht nur viele Tiere nutzen „Schmutz“. Moor, Schlamm (Fango) und Schlick besitzen als Bäder oder Packungen auch in der Körper- und Gesundheitspflege des Menschen eine lange Tradition. In Deutschland beispielsweise entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Kurzentren, die sich bis heute der „Peloidtherapie“ (griechisch pelos = Schlamm) widmen.

 

Vor allem Gelenkerkrankungen, schmerzhafte Verspannungen und Frauenleiden wie etwa starke Regelschmerzen werden dort mit den direkt vor Ort gewonnenen Bodenschätzen behandelt. In Bayersoien (Bayern) und Bad Sülze (Mecklenburg-Vorpommern) baden die Patienten in Naturmoorbädern, im Eifel-Kurstädtchen Bad Neuenahr liegen sie in vulkanischem Naturfango, im Nordseeheilbad Norderney in Meeresschlick.

 

Worauf die wohltuende Wirkung von Schlick und Schlamm genau beruht, ist noch nicht abschließend geklärt. Doch scheinen die unterschiedlichen Materialien aus der Erde dem Organismus dabei zu helfen, sich selbst zu heilen. Eine große Rolle spielt die Eigenschaft der Stoffe, Wärme zuzuführen oder zu entziehen.

 

„Dadurch sind sie in der Behandlung zahlreicher rheumatischer Krankheiten unentbehrlich und können sogar Vorrang vor einer medikamentösen Therapie haben“, berichtet Professor Uwe Lange, leitender Oberarzt der Abteilung für Rheumatologie der Kerckhoff-Klinik im hessischen Bad Nauheim und Experte für physikalische Therapie.

 

Als bedeutendste Effekte warmer und kalter Peloidanwendungen nennt er das Lindern von Schmerzen, die Entzündungshemmung und die Muskelentspannung. Je nach Ausgangsdiagnose erreicht der Arzt diese Wirkungen auf unterschiedliche Weise, letztlich aber mit demselben Behandlungsziel. „Warme Peloide steigern die Durchblutung und regen den Stoffwechsel an. Kalte Peloide verengen die Gefäße und dämpfen den Stoffwechsel“, erklärt Lange. Beide Prozesse stoßen Regulationsvorgänge an, die ausgleichend wirken.

 

Werden die „erdigen“ Substanzen mit Wasser vermischt, kühlt die Mixtur deutlich langsamer ab als zum Beispiel pures heißes Wasser. Andererseits nimmt sie Wärme auch nur langsam auf. Moor-Vollbäder etwa halten die zugeführte Wärme fünfmal länger als normale Wannenbäder. Kälte speichern Moor und Schlamm ebenfalls besser – hilfreich ist das etwa bei kühlenden abschwellenden Wickeln um ein arthrotisches Knie.

 

„Wichtig ist, dass die Peloide fachgerecht angewendet werden“, hebt Jürgen Kleinschmidt hervor, Professor für Kurortmedizin am Institut für Gesundheits- und Rehawissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Für eine zwanzigminütige Packung um ein Gelenk braucht man dicke Schichten des Ausgangsmaterials, je nach Art des Peloids mindestens zwei bis acht Zentimeter.“

 

Mit Moor kann man übrigens die intensive Wärmetherapie nicht nur als örtlich angewandte Packung genießen, sondern auch in einem Vollbad. „Andere Peloide wie Naturfango, Schlick oder Heilkreide bewirken einen zu hohen Auftrieb, sodass man darin gar nicht richtig eintauchen kann“, schildert Kleinschmidt. Der Aufwand für ein Moorbad ist groß: Rund 100 Kilogramm Torf müssen dafür aufbereitet werden.

 

Die dunkle Masse wird dann auf 42 bis 44 Grad aufgeheizt. Der Patient empfindet die hohe Temperatur aber nicht als unerträglich, denn der Moorbrei gibt seine Wärme nur ganz allmählich ab. Auch die Zähflüssigkeit der Schlämme ist laut Kleinschmidt therapeutisch bedeutsam: Moortreten oder Schlickwandern erzeugt einen stärkeren Massage-Effekt als Wassertreten. Moor- oder Fangokneten hat sich bei rheumatischen Beschwerden der Hände bewährt.

 

Ob die Wirksamkeit der Peloide auch auf ihren chemischen Inhaltsstoffen beruht, darüber diskutieren die Wissenschaftler noch. Schlick, Kreide und Lehm setzen sich überwiegend aus anorganischen Mineralien wie Kalzium und Magnesium zusammen. Schlick besteht aus anorganischem Meersand, der angereichert ist mit organischen Substanzen von Algen oder Muscheln.

 

Moor ist ein rein organisches Peloid. Im Hochmoor verrotten unter Luftabschluss abgestorbene Pflanzenteile, die Jahrtausende später als Torf gestochen werden. Darin kommen Eiweiße, hormonähnliche Substanzen, Fett- und Huminsäuren vor. Jürgen Kleinschmidt bezweifelt allerdings, dass die großen Moleküle aus dem Moor die Haut durchdringen und in den Blutkreislauf gelangen. Die pharmakologische Wirkung hält er aus diesem Grund für unbedeutend.

 

Vielmehr nimmt der Medizinische Balneologe an, dass die ganzheitliche Ausrichtung eines Kuraufenthalts ein wichtiger Heilfaktor der Peloidtherapie ist. Unbestritten sind die kosmetischen Wirkungen von Moor, Lehm, Heilkreide und anderen Peloiden. Die Schlämme ziehen das Gewebe zusammen und hemmen Entzündungen der Haut. Als Masken nehmen sie überschüssiges Fett auf und beugen Unreinheiten vor. Beim Rasulbad – einer orientalischen Reinigungszeremonie – verwendet der Badegast Schlämme verschiedener Herkunft und Körnung, um seine Haut von abgestorbenen Hornschüppchen zu befreien.

 

Hochwertige Peloide wie Naturmoor oder -fango sind teuer und werden deshalb häufig mit kostengünstigeren Materialien wie Paraffin gestreckt. Dadurch verändern sich jedoch die thermischen Eigenschaften. Achten Sie deshalb darauf, welche Zubereitungen bei einer Peloidanwendung tatsächlich Verwendung finden.

Teile mich...