Bestimmte Nahrungsmittel verursachen angeblich Kopfschmerzen. Doch wissenschaftliche Belege dafür fehlen
Die Liste der Verdächtigen ist lang: Käse, Salami, Rotwein, Schokolade und Zitrusfrüchte nennen Kopfschmerz-Patienten häufig als mögliche Auslöser für ihre Schmerzen. Diese subjektiven Eindrücke stehen im Widerspruch zu dem Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen, die bislang keinen eindeutigen Nachweis einer Nahrungsmittelabhängigkeit für Spannungskopfschmerz und Migräne erbrachten.
Dass der Verzehr bestimmter Lebensmittel ein Trigger-(Auslöse-) faktor für Kopfschmerz ist, „stimmt in der Form nicht“, sagt Dr. Stefanie Förderreuther von der Neurologischen Klinik der Universität München, Klinikum Innenstadt. „Grundsätzlich enthalten Lebensmittel keine gefährlichen Substanzen, die Kopfschmerzen verursachen.“
Die Expertin ist überzeugt: Die Lust auf kalorienreiche Nahrungsmittel wie etwa Schokolade während einer Migräne ist nicht die Ursache, sondern vielmehr ein Symptom des Anfalls. „In der ersten Phase einer Attacke, die schon beginnt, bevor der eigentliche Kopfschmerz einsetzt, haben viele Patienten Essensgelüste“, erklärt sie.
Dr. Peter Storch, Leiter des Mitteldeutschen Kopfschmerzzentrums am Universitätsklinikum Jena, bestätigt: „Vermutlich sind diese Hungerattacken Teil der Migräneattacke und nicht deren Auslöser.“ Seine Erklärung hierfür:„Die eigentliche Ursache für Migräne liegt in einer Übererregung bestimmter Hirnareale. Diese führt dann auch zu einer Stimulation des Hungerzentrums im Gehirn.“ Zu Beginn einer Attacke fühlen sich viele Migräne-Geplagte nervös, unruhig, kribbelig – und greifen deshalb unbewusst ordentlich zu.
Seltener Grund: Unverträglichkeit
Dass eine Unverträglichkeit auf biogene Amine – das sind Eiweißstoffe, die in länger gelagerten Lebensmitteln wie Salami oder Parmesan, aber auch in frischer Ware wie Tomaten oder Erdbeeren vorkommen – für Kopfschmerz verantwortlich sein könnte, schließen Förderreuther und Storch aus. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen sprächen dagegen, zumindest für das Gros der Kopfschmerz-Patienten. Nur etwa einem Prozent der Bevölkerung mangelt es an dem für eine Histamin-Unverträglichkeit maßgeblichen Enzym DAO. „ Hierbei treten außerdem nicht nur Kopfschmerzen, sondern in der Regel auch andere Symptome auf wie Nesselsucht, Juckreiz, Schleimhautschwellungen oder Durchfall“, sagt Förderreuther.
Lediglich für eine einzige Substanz sehen die Experten einen ursächlichen Zusammenhang: Alkohol. Dabei sei weniger der Alkohol selbst der Übeltäter, sondern weitere natürliche Inhaltsstoffe. Deshalb haben zum Beispiel Rotwein und Mischgetränke ein weit höheres Kopfschmerz- Potenzial als Hochprozentiges ohne Begleitstoffe wie etwa Wodka.
Wahrnehmung überprüfen
Förderreuther und Storch empfehlen Kopfweh-Geplagten, ihre subjektive Wahrnehmung zu überprüfen. Liegt es wirklich an Käse oder Rotwein, wenn der Kopf brummt? Weit bedeutendere Triggerfaktoren für Migräne sind Stress, Veränderungen im Schlaf-wach-Rhythmus oder im Hormonprofil. „Jeder Wechsel im Lebensrhythmus kann theoretisch ein Auslöser sein“, sagt Storch.
Beide Experten sind sich einig: Auf Verdacht scheinbar riskante Lebensmittel wegzulassen, lohnt sich nicht. Da bleibt nur der Genuss auf der Strecke. Storch: „Übertriebene Rücksichtnahme auf vermeintliche Trigger schränkt die Lebensqualität so stark ein, dass sie nicht gerechtfertigt werden kann.“